EnEV 2014 und
EU-Richtlinie - die Fragen im
Überblick:

1. Herr Dr. Stock, Sie leiten im
Bundesbauministerium das Referat, das für die rechtlichen
Grundlagen des Energieeinsparrechts, also für das
Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung
(EnEV), zuständig ist. Unsere EnEV-online Leser kennen und
schätzen Sie seit Jahren, da Sie uns dankenswerterweise auch
häufig auf Fragen zur EnEV geantwortet haben. In diesem Sommer
hat die EU-Kommission die Neufassung der Richtlinie über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden verkündet. Waren Sie auch
mit dieser Novellierung befasst?
Dr. Stock: Ja, ich war gemeinsam mit Kollegen, die
für die technischen Inhalte zuständig sind, und mit den
Kolleginnen und Kollegen aus dem
Bundeswirtschaftsministerium in die Verhandlungen zur
Neufassung der Gebäuderichtlinie eingebunden.

2.
Wenn man sich die Stellungnahmen der Fachverbände –
Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer – zum Entwurf
der EU-Richtlinie 2010 ansieht, fragt man sich, wieso die
berechtigten Hinweise und Vorschläge in der Neufassung nicht
berücksichtigt sind. Wie lautete der Beitrag, die Stellungnahme
oder die letzten Hinweise der Bundesregierung zum Entwurf der
EU-Richtlinie-Novelle? Wo findet man dieses Dokument im
Internet?
Dr. Stock: Die Bundesregierung hat zahlreiche
Stellungnahmen in die Verhandlungen in Brüssel eingebracht,
und zwar sowohl zur grundsätzlichen Ausrichtung der
Richtlinie als auch zu vielen Einzelaspekten. Dabei wurden
die seinerzeit vorliegenden Stellungnahmen von Ländern und
Verbänden berücksichtigt. Es entzieht sich meiner Kenntnis,
ob die an das Ratssekretariat adressierten Stellungnahmen im
Internet zugänglich sind.
In der Sache können verschiedene Beteiligte mit den
Änderungen der Richtlinie mehr oder weniger zufrieden sein.
Das ist bei politischen Projekten nicht ungewöhnlich. Nicht
alle Wünsche können erfüllt werden. Man sollte aber die
wesentlichen Errungenschaften nicht aus den Augen verlieren.
Dazu gehört vor allem das Wirtschaftlichkeitsgebot.
Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür eingesetzt,
dass die Richtlinie Folgendes bestimmt: „Ein Mitgliedstaat
ist nicht verpflichtet, Mindestanforderungen an die
Gesamtenergieeffizienz festzulegen, die über die geschätzte
wirtschaftliche Lebensdauer nicht kosteneffizient sind.“
Damit kann Deutschland das Wirtschaftlichkeitsgebot des
Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) beibehalten.

3.
Der Energieausweis soll nach der neuen EU-Richtlinie 2010 nicht
mehr lediglich der Information dienen. Im Artikel 12
(Ausstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz)
Absatz 7 heißt es dazu: „Mögliche Rechtswirkungen der Ausweise
über die Gesamtenergieeffizienz bei etwaigen
Rechtsstreitigkeiten bestimmen sich nach den nationalen
Rechtsvorschriften“. Was meinen Sie als Jurist und EnEV-Experte
der ersten Stunde dazu? Welche Konsequenzen könnten sich nach
deutschem Recht daraus ergeben?
Dr. Stock: In der Richtlinie heißt es wörtlich: „Mögliche
Rechtswirkungen der Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz bei
etwaigen Rechtsstreitigkeiten bestimmen sich nach den nationalen
Rechtsvorschriften“. Zwar ist die bisherige ausdrückliche
Feststellung, dass Energieausweise lediglich der Information
dienen, entfallen. Nach wie vor stellt es die
EU-Gebäuderichtlinie den Mitgliedstaaten anheim, über die Frage
möglicher Rechtswirkungen der Ausweise auf nationaler Ebene
selbst zu entscheiden.

4. Darf man daraus schlussfolgern, dass der letzte Satz in
unserem Energieeinsparungsgesetz (EnEG 2009), Paragraph 5a
(Energieausweise) „Die Energieausweise dienen lediglich der
Information.“ nicht gestrichen werden muss?
Dr. Stock: Ja, das ist richtig.

5. Deutschland und die anderen EU-Mitgliedstaaten müssen die
EU-Gebäuderichtlinie 2010 umsetzen. Welche Gesetze und
Verordnungen müssen wir hierzulande aufgrund der neugefassten
EU-Richtlinie novellieren und welchen Zeitplan müssen wir
einhalten?
Dr. Stock: Den Zeitplan gibt uns die europäische Umsetzungsfrist
vor. Bis zum 9. Juli 2012 müssen wir die nationalen
Umsetzungsregelungen erlassen haben; danach räumt uns die
Richtlinie eine längere Übergangsfrist bis zum Wirksamwerden –
wie wir es aus dem deutschen Recht schon kennen – ein.
Im Wesentlichen wird die Umsetzung der EU-Richtlinie in der
Energieeinsparverordnung erfolgen.

6. Wie muss die EnEV insbesondere novelliert werden, dass sie
der EU-Gebäuderichtlinie entspricht?
Dr. Stock: Große Teile der Richtlinie enthalten Vorgaben, die
Deutschland bereits heute erfüllt.
Ich möchte an dieser Stelle die großen Themenblöcke nennen, die
Umsetzungsbedarf auslösen:
-
Die Einführung des Niedrigstenergiegebäudes ab Anfang 2021 für
alle Neubauten (für Behördengebäude zwei Jahre früher);
-
die Erweiterung der Aushangpflicht für Energieausweise
(insbesondere Ausdehnung auf bestimmte private und auch auf
kleinere Behördengebäude mit starkem Publikumsverkehr);
-
die Vorgabe, dass künftig in Immobilienanzeigen in
kommerziellen Medien zum Verkauf oder zur Vermietung von
Gebäuden bzw. Wohnungen eine Energiekennzahl angegeben werden
muss, wenn ein Energieausweis vorhanden ist, sowie
-
die Einführung von Qualitätskontrollen für Energieausweise.

7. Wie wirken das neue Energiekonzept der Bundesregierung und
die EU-Vorgaben der Gebäuderichtlinie zusammen? Werden wir mit
der EnEV 2014 die EU-Richtlinie und das Energiekonzept parallel
erfüllen?
Dr. Stock: Die Tinte auf dem Energiekonzept ist noch nicht ganz
trocken, so dass Ihre Leser sicher Verständnis dafür haben
werden, dass ich hierzu noch keine inhaltlichen Aussagen machen
kann. Wir werden uns in der nächsten Zeit näher mit der Frage
befassen, was zu tun ist.
Zum Ordnungsrecht möchte ich jetzt nur anmerken: der Begriff der
Klimaneutralität im Energiekonzept weist eine große Ähnlichkeit
mit dem Begriff des Niedrigstenergie-Gebäudes nach der
EU-Gebäuderichtlinie auf.

8. Wie verläuft die Novellierung der geltenden EnEV 2009 mit
Blick auf die folgenden Aspekte: parlamentarischer Weg,
Beteiligte, zuständige Gremien und Zeitplan?
Dr. Stock: Im Wesentlichen wird die Umsetzung der neuen
EU-Gebäuderichtlinie durch Änderungen der EnEV erfolgen, in den
wie bisher bekannten Verfahrensschritten.
-
Vor der Befassung des Bundeskabinetts werden wir in Anhörungen
die Stellungnahmen von Spitzenverbänden und Ländern einholen.
-
Danach erfolgt der Beschluss des Bundeskabinetts über die
Verordnung.
-
Die Verordnung wird dem Bundesrat zur Beratung übersandt wird,
denn Änderungen der EnEV bedürfen der Zustimmung des
Bundesrates.
-
Den Abschluss bildet die Verkündung der Änderungsverordnung
zur EnEV im Bundesgesetzblatt.
Was den Zeitplan angeht, weise ich nochmals auf die europäische
Umsetzungsfrist, den 9. Juli 2012, hin. Über weitere Details der einzelnen Schritte lässt sich zum
heutigen Zeitpunkt noch nichts Konkreteres sagen.

9. Welche Rolle spielt die Praxis-Erfahrung im Rahmen der
EnEV-Novelle – beispielsweise die offiziellen Auslegungen der
Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz, die das
Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlicht? Welche
Aspekte werden für die Fachleute, die die EnEV 2014 anwenden,
wichtig sein?
Dr. Stock: Wir stehen laufend in Kontakt mit den Kollegen aus
den Ländern und beziehen deren Erfahrungen und etwaige Probleme
im Vollzug in unsere Novellierungsüberlegungen
selbstverständlich ein.
Energieeffizienz ist und bleibt ein Thema, das uns auch in der
Zukunft intensiv beschäftigen wird. Das hat auch die politische
Diskussion der vergangenen Wochen zum Energiekonzept gezeigt.

10. Noch eine Frage zu den „EnEV-Auslegungen“. Bereits vor
Jahren erklärten Sie uns in einem Interview, dass die
Auslegungen der Fachkommission Bautechnik der
Bauministerkonferenz, an denen auch Vertreter des BMVBS und des
BBSR mitwirken, keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Ich
gehe davon aus, dass diese Aussage auch für die EnEV 2009
zutrifft und gebe Ihre damalige Antwort wider:
Dr. Stock: Die Stellungnahmen dieser Expertengruppe entfalten
keine rechtliche Bindungswirkung. Dennoch sind sie wichtig.
Ihnen kommt große praktische Bedeutung als sachverständige
Konkretisierung der EnEV zu. Hier verständigen sich Experten der
Länder und des Bundes gemeinsam auf die Auslegung der
Verordnung.
Diese Auslegungen können die Vollzugsbehörden und auch die
Anwendungspraxis bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.
Das trägt zur Rechtssicherheit und Rechtseinheit bei.
Für den Vollzug in den Ländern ist es wichtig, dass die
Bauministerkonferenz dieses Gremium offiziell eingesetzt hat.

11. Viele Fachleute meinen, dass sich die Bauämter an diesen
offiziellen Auslegungen orientieren. Inwieweit stimmen Sie
dieser Aussage zu und inwieweit können sich die Fachleute darauf
verlassen, dass sie bei Berücksichtigung dieser Auslegungen auf
der „sicheren Seite“ liegen?
Dr. Stock: Ich habe keinen Anlass, der Beobachtung der Fachleute
zu widersprechen.
Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort zur vorigen Frage.

12. Eine letzte Frage: Die vieldiskutierte, erste „EnEV 2000“
trat als „EnEV 2002“ am 1. Februar 2002 in Kraft. Die „EnEV
2007“ wurde ursprünglich als „EnEV 2006“ angekündigt. Wird die
nächste Fassung - „EnEV 2014“ - wohl tatsächlich auch 2012 in
Kraft treten?
Dr. Stock: Nein. Das muss sie auch nicht. Entscheidend ist die
Einhaltung der Umsetzungsfristen der Richtlinie. Wir wollen die
Richtlinie zeitgerecht innerhalb der europäischen
Umsetzungsfrist umsetzen, also bis zum 9. Juli 2012.
Die geänderte Verordnung wird – wie es in der Neufassung der
Richtlinie ausdrücklich zugelassen ist – sechs Monate nach der
Verkündung in Kraft treten. Das wäre also Anfang 2013. Damit
haben alle Beteiligten genügend Zeit, sich auf das neue Recht
einzustellen.
Herr Dr. Stock, herzlichen Dank für Ihre aufschlussreichen
Antworten!
Download: Interview als Datei im PDF-Format
EU-Gebäuderichtlinie
2010: Übersicht Fristen

Kontakt für weitere Fragen:
MR Dr. Jürgen Stock Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Referat SW 12 (Gebäudebezogenes Baurecht, Bauordnungsrecht,
Recht der Energieeinsparung in Gebäuden) Robert-Schuman-Platz, D-53175 Bonn Telefon: + 49 (0) 2 28 / 3 00 - 61 20 Telefax: + 49 (0) 2 28 / 3 00 – 60 98 E-Mail: ref-sw12@bmvbs.bund.de Internet: www.bmvbs.de
Kontakt zur Autorin:
Institut für Energie-Effiziente Architektur mit Internet-Medien,
Melita Tuschinski, Dipl.-Ing.UT Fr. Architektin Bebelstrasse 78, D-70193 Stuttgart Telefon: + 49 (0) 7 11 / 6 15 49 26 Telefax: + 49 (0) 7 11 / 6 15 49 27 E-Mail: info@tuschinski.de Internet: www.tuschinski.de, www.enev-online.de

Rechtlicher Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass sämtliche Verwertungsrechte dieses
Interviews, bzw. dieser Publikation, bei der Autorin Melita
Tuschinski liegen. Bitte nehmen Sie bei Interesse Kontakt mit
der Autorin auf. Für alle unsere Informationen im
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EU-Gebäuderichtlinie
2010: Übersicht Fristen
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